NINO BAUMGARTNER

«LEFT SPOT / RIGHT SPOT»

11.01. – 03.02.2013

VERNISSAGE 10.01.2013


«Left Spot / Right Spot» verspricht eine Symmetrie, ein ausgewogenes, gleichberechtigtes Verhältnis zweier Seiten. Aber im Grunde benennt es lediglich zwei unterschiedliche Orte, nämlich zwei Schaufenster: ein linkes und ein rechtes.

Nino Baumgartner (*1979) bespielt erstmals die Vitrinen von DIE DIELE. Es sind Zwischenräume, direkt an der Strasse, gleich gross und gleich einsehbar für alle Betrachter. Baumgartner lässt in ihnen zwei Situationen entstehen, welche auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben. Auffällig ist ein Ungleichgewicht an Materialpräsenz; während im rechten Fenster fünf Pfosten nüchterne Vertikalen ergeben, herrscht im linken Fenster mehr Unruhe. Verschiedene Materialien, wie aufgeschichtete Holzbündel, ein auf den Hölzern aufliegendes, dreckiges Schaffell und ein an einem Seil hängender Wachsquader sorgen für Distraktion. Doch dem ist noch nicht genug, Baumgartner vollendet die Installationmit einer Aktion: Er lässt mit einem Bunsenbrenner das Wachs schmelzen. Der rotbraune Rohstoff zeichnet je nach Aussentemperatur stalagmitische Spuren auf das Fell, dem in diesem Zusammenhang eine bildtragende Funktion zukommen wird – die Arbeit verschmilzt somit buchstäblich mit dem Ort, was charakteristisch für Baumgartners Herangehensweise ist. Er schafft Werke, die sich auf die Raumsituation beziehen, in denen sie platziert werden.

Ähnlich der Idee von «site» und «non-site», verweisen die Objekte im rechten Fenster auf einen realen Ort im Aussenraum.

Lassen doch die ruhenden Pfosten mit ihren spitzen Enden ahnen, dass sie eigentlich nicht zum Anlehnen gedacht sind, sondern zur Markierung einer Wegabbiegung, eines Senkloches oder Strassengrenzen in den harten Winterboden gerammt werden müssten.

Sie wurden von ihrem Charakter und Form bestimmenden Ursprungsort entfernt und verweisen nun auf das Loch im Feld, das sie wohl nach ihrer Entführung hinterlassen haben.Baumgartner will, dass sich die Form des Werks durch seine Aktionen verändert – insofern begleiten seine Arbeiten immer ein gewisses «vorher» und «nachher», weil in der Ausstellungspräsentation immer mitschwingt, dass der Ausgangspunkt ursprünglich ein anderer war. Durch die Bereitschaft den Zufall als formgebende Komponente mit einzubeziehen, akzeptiert er die Ungewissheit über den Ausgang seinerAktionen – oder Manöver*, diese sind aber meist von längerer Dauer und grösserer Dimension als in «Left Spot / Right Spot» –, was nur dank seiner Materialkenntnis und sorgfältigen Vorbereitung möglich ist. Die Materialwahl ist zudem intuitiv und keinen strengen konzeptuellen Überlegungen unterworfen. Ein Stück weit folgt die Form dem Material und somit erschliessen sich die Bedeutungszusammenhänge zur Natur. Die verwendeten Stoffe sind Abstraktionen eines realen Orts und dadurch zeichnet sie eine natürliche Symbolhaftigkeit aus – wie Holz oder Wachs als Referenzen für Energie und Wärme. Die beiden «Spots» sind voneinander unabhängig und doch gibt es etliche Bezüge zwischen den Objekten und den sich ergänzenden Eigenschaften der Materialien – auch die Entscheidung Baumgartners einer Gegenüberstellung der aktiven Seite des Geschehens und der passiven führt schliesslich zu einem unerwarteten Gleichgewicht.


* Es geht Baumgartner in seinen Manövern um eine Lebenswirklichkeit, um existenzielle Grenzerfahrungen. So läuft der Künstler gut und gerne während drei Tagen über hundert Kilometer. Oder er schläft im Wald. Oder er jagt das Ur im Urbachtal. Er betonte an anderer Stelle, dass Stuntman, Sportler oder Künstler zu sein, keinen grossen Unterschied mache. Die Ideen sind tatsächlich nah beieinander – beides bedarf einer tiefen inneren Motivation etwas zeigen zu wollen und beides ist letztlich unsinnig ohne Betrachter.


Aline Juchler

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